MANNA

Aufbruch zu den Sternen

Die historischen Lebenslinien der Kardinalstochter Anna Caselmann und ihre ganz eigene Reise zum Mond.

Worum geht es?

Der Roman erzählt die Lebensgschichte von Anna Caselmann, geboren kurz vor Ausbruch der Reformation - ausgerechnet als Tochter einer adeligen Mainzer Mätresse - gestorben 1599 als Kaufmannsgattin und Salinenbesitzerin in Halle an der Saale. Nach dem Tod ihres ersten Mannes, eines hohen Verwaltungsbeamten ihres Vaters Kardinal Albrecht von Brandenburg, heiratet sie mit Mitte dreißig ein zweites Mal und bekommt drei weitere Söhne, den letzten mit über vierzig. Sie erlebt beinahe ein ganzes Jahrhundert, das geprägt ist von wissenschaftlichem Aufbruch, religiösem Umbruch, Fortschritt, Glaube und Aberglaube. Aus Astrologie wird Astronomie, und das Teleskop verdrängt das Horoskop. Die Sonne dreht sich nicht mehr um die Erde, die Sterne rücken näher, und Anna findet ihre eigene Bestimmung in einer Reise zum Mond. 

Was hat das mit uns Heutigen zu tun?

Anna Caselmann, die Hauptfigur des Romans, lebte im 16. Jahrhundert. In einer Zeit, als wissenschaftliche Erkenntnisse und zunehmend bessere Teleskope die Erde immer weiter aus dem Zentrum an den Rand des Alls verschoben und plötzlich nichts mehr war wie zuvor.


Wir leben im 21. Jahrhundert. Eine ganz neue Weltsicht verkündet uns die Wissenschaft heute mit der Quantentheorie. Aber sie warnt auch vor der Gefahr, dass mit ihr all unsere bisherigen Gewissheiten aus der klassischen Physik über den Haufen geworfen würden: die vormals ehernen Prinzipien von Eindeutigkeit, Kausalität, Objektivität und Unabhängigkeit. Dies berge insbesondere eine nicht zu unterschätzende philosophische Dimension, die an die Wurzeln unserer Existenz rühre.


Anna Caselmanns Lebensreise rüttelt auch an den Wurzeln ihrer Existenz. Die anbrechende Neuzeit bringt frühkapitalistischen Veränderungen, die Auffassung von Kunst als Handwerk wandelt sich zur Kunst als Ausdruck einer höheren Lebensform. Das heliozentrische Weltbild setzt sich durch - trotz aller Widerstände der Kirche, trotz Schreibverboten, Ketzerprozessen und Einschüchterungsversuchen aller Art. Und Anna muss sich fragen, was überhaupt noch als gesichert gelten kann.


Für uns Heutige hat sich die Weltsicht im Vergleich zu damals genau umgekehrt: Hatte die Kirche vor 500 Jahren die Weltanschauung noch fest im Griff und argumentierte im naturwissenschaftlichen Bereich oft auf Schulkind-Niveau, beherrscht heute die Naturwissenschaft den öffentlichen Diskurs, während die theologische Argumentation oft über den Rahmen eines naiven Kinderglaubens nicht hinauskommt.


Wenn Naturwissenschaft und Technik unser Weltbild prägen, was heißt das für unsere Wurzeln? Für unser Denken, unser Selbstverständnis und unsere Kreativität? Luther, einerseits kompromissloser Reformator, der das Selbstverständnis der Kirche über den Haufen warf, hatte andererseits Schwierigkeiten, das kopernikanische Weltbild zu übernehmen (mehr dazu unten). 


Auch wir müssen uns täglich mit neuen und teilweise bahnbrechenden Erkenntnissen auseinandersetzen, die sich unserer Logik und unserer Vorstellungskraft entziehen und doch jetzt schon Einfluss auf unser tägliches Leben nehmen und weiter nehmen werden (Mensch-Maschine-Interface, „erweiterter Mensch“, Künstliche Intelligenz, Virtual Reality, Quantenphysik). Hilft uns dabei der Blick zurück? Wie können wir uns auf neue Horizonte einlassen, und was kann die Poesie dazu beitragen? Wenn im 16. Jh. eine Kaufmannsfrau zum Mond reisen konnte, können wir nicht auch Altgewohntes infrage stellen? Phantasieren? Neues versuchen? Eine persönliche Singularität erdenken? Oder einfach mal ausprobieren, was in uns steckt? Man kann sich von 500 Jahre alten Familiengeschichten inspirieren lassen und mit dem Blick zurück nach vorne sehen.

Perspektivenwechsel: Luther und die Kutsche

Ein für mich sehr plastisches Beispiel dafür, wie wissenschaftliche Erkenntnis die Vorstellungskraft sprengen kann, ist Luthers bildmächtige Reaktion auf die Erkenntnis, dass die Erde nicht im Zentrum des Universums steht.

Hören Sie gern mehr dazu in meiner Lesung auf YouTube (ab Min. 21).

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